Ich muss ja zugeben, dass das Trainingslager schon seit ein paar Wochen Geschichte ist, aber an meinem freien Tag nutze ich jetzt trotzdem einfach mal die Zeit, um das, was meine Notizen und Erinnerungen aus der Woche noch hergeben, mal zu „Papier“ zu bringen. Während der Anfang dieses Berichts bereits direkt nach dem Trainingslager entstanden ist, musste ich für die zweite Hälfte meine grauen Zellen ganz schön anstrengen, weil inzwischen gute drei Monate vergangen sind. Doch gerade für diesen Teil gilt dann wohl, dass die wichtigsten und vor allem einprägsamsten Sachen es letztendlich auch verdient haben, hier erwähnt zu werden.
Wie immer dient das alles hier nur, um die Erinnerungen für mich und andere dabei gewesene festzuhalten und mit denen zu teilen, die nicht das Glück hatten.
Aber nun zurück zum Titel:
„Hansa, Sonne, Strand und Meer!“, das sind zumindest grob die Gedanken, die einem durch den Kopf kreisen, wenn man sich mehr oder weniger überreden lässt, mit ins Trainingslager zu fliegen. Für die größten Zweifel sorgte zur Abwechslung mal nicht das Geld, sondern eher das Reiseziel, das sich unser geliebter Verein ausgesucht hatte. Schon im Vorfeld war deutlich geworden, dass ein nicht unbedeutender Teil der sonst begeisterten Trainingslager-Fahrer aus diversen Gründen diesmal nicht dabei sein sollte. Aufgrund der Tatsache, dass es für mich nach sechs Jahren Ausbildung und Studium endlich mal finanziell drin war, zögerte ich letztendlich doch nur kurz, bevor Urlaub beantragt und die Reise gebucht wurde.
Für mich begann die Aufregung schon mit dem ganzen Ablauf. Noch nie hatte ich mich um eine solche Reise selbst kümmern, geschweige denn ohne Mama und Papa irgendwohin fliegen müssen. Zum Glück war zumindest einer aus unserer Reisegruppe noch aufgeregter als ich, sodass ich mir vergleichsweise wenige Sprüche deswegen anhören durfte.
Das Abenteuer begann irgendwann am Freitagabend. Nachdem die Lokalitäten in der Nähe des Alex gesichtet und für nicht geeignet erklärt wurden, ging es früher als geplant in Richtung Flughafen. In entspannter Runde und umgeben von einer nicht ganz so entspannten Putzfrau wurde bei einer kleinen Cola die Zeit totgeschlagen, eh es dann in Richtung Flieger ging. Der Weg dorthin war für einige beschwerlicher als geplant.
Während einige bereits am Check-In beinahe an die Grenzen ihrer Reiseanbieter gestoßen wären, betrachtete ein anderer Kandidat seine Reise schon bei der Passkontrolle als beendet. Spätestens als der freundliche Beamte dann nach 20 Minuten den Pass an den Kollegen abgab und dabei mit dem Kopf schüttelte, war für ihn innerlich schon Feierabend. Letztendlich durfte er natürlich die Reise mit antreten und alle Mitreisenden hatten größte Freude daran, ihn immer wieder mit dieser Geschichte aufzuziehen, sobald er mal etwas vorlaut wurde. Dass er selbst im Laufe der Woche noch dafür sorgen würde, wegen einer ganz anderen Geschichte für immer wiederkehrende Sprüche in seine Richtung zu sorgen, ahnte er wahrscheinlich in diesem Moment selbst noch nicht. Von dem Spruch „Als ich vor 20 Jahren das letzte Mal geflogen bin, war das noch erlaubt“, kann ein weiterer Mitreisender ein Lied singen, was aber bereits groß und breit ausgewertet wurde und der betroffenen Person zuliebe an dieser Stelle mit dieser kurzen Erwähnung auch erledigt sein soll.
Der Anflug auf Antalya gestaltete sich selbst für mich als bekennenden Angsthasen ziemlich entspannt. Das einzige, was für schlechte Stimmung sorgte, war das Wetter. Bereits auf dem Weg ins Hotel konnte man die ersten Ausmaße des beständigen Regens erkennen. Im Hotel selbst trafen dann alle so ziemlich zur selben Zeit ein, womit dann mit einem Schlag etwa 25-30 Leute an der Rezeption standen. Zwei jungschen Kerlen, die zu dem Zeitpunkt ebenfalls dort standen und der Fanschaft eines anderen Ostvereins zuzurechnen waren, war das nicht ganz geheuer. Die Tatsache, dass sich wenig später nahezu die komplette Gruppe dieser Bengels an der Bar einfand zeigte, dass diese wohl ziemlich schnell Bericht erstattet hatten und man nun Präsenz zeigen wollte. Dabei blieb es dann aber auch. Für die Frage, ob von Seiten unserer Gruppe irgendwelche Ambitionen bestehen würden, suchten sie sich nämlich ausgerechnet den Tagesvollsten aus. Dieser erstickte mit einem einfachen „Ich weiß ja nicht, was eure Mission hier ist… aber wir sind nur zum Saufen hier“ jegliches Theater schon im Keim. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte man registriert, dass die Mitarbeiter im Hotel eher unentspannt waren und so richtig hatte keiner Lust darauf, sich gleich am ersten Tag irgendwas einzutreten.
Nicht ganz so clever waren wir dann aber bei der Wahl des Wegs zum Training. Während wir uns mit dem Gedanken „So weit kann das nicht sein“ zu Fuß auf den Weg machten, schüttete es wie verrückt, sodass eigentlich bereits vor unserem ersten besuchten Training so ziemlich alle schon die Schnauze voll hatten. Ordentlich durchgeweicht wurde dann noch die letzte halbe Stunde des Trainings verfolgt, ehe es dann per Taxi zurück ins Hotel und erstmal ab unter die Dusche ging. Zurück an der Bar konnte man dann erahnen, dass einige Leute die Zeit etwas sinnvoller genutzt hatten und so konnten einige am ersten Abend schon einen ordentlichen Pegelstand vermelden. Während einer noch heute bestreitet, mit seiner angeblich kaputten Karte einfach nur vor der falschen Tür gestanden zu haben, machte ein anderer aus seiner ganz besonderen Erfahrung mit dem Türkartensystem keinen Hehl.
Abgesehen davon verlief der erste Abend relativ entspannt, was aber wahrscheinlich allein daran lag, dass der Großteil der Leute seit über 40 Stunden auf den Beinen war.
Der nächste Morgen begann dann, wie so viele in den nächsten Tagen, mit Frühstück und dem Vormittagstraining. Dieses lief vergleichsweise locker, wahrscheinlich weil am Nachmittag das Testspiel gegen Sandhausen anstehen sollte. Die Torschussübung zum Ende des Trainings lief jedoch nicht ganz so gut und etliche Bälle grüßen wohl immer noch aus derselben Ecke, in der Soukous Elfmeter gegen Cottbus gelandet sein wird. Vorher wurde noch in zwei Gruppen das Verschieben geübt. So richtig konnte man sich nicht einigen, ob da A- und B-Mannschaft jeweils zusammen trainierten oder ob die Leute wahllos nach Positionen verteilt wurden. Einem, der besonders energisch behauptete, dass die erste Gruppe eindeutig die A-Mannschaft sei, wurde sofort entgegnet: „Mit Bischoff in der Innenverteidigung… ist klar“. Was vormittags noch spaßig gemeint war, zeigte sich dann im Testspiel als purer Ernst. Der Witz daran war, dass der alte Mann das nicht einmal schlecht gemacht hat. Erwähnenswert war hier noch die doch sehr lockere Einstellung von „Gästetrainer“ Koschinat, der es sich nicht nehmen ließ, zu einem Plausch an den Zaun zu kommen. Auch im Spiel war es interessant zu hören, welche Meinung er von der Taktik unseres neuen Trainers hat. Aber wie so oft, kann man da leider nur abwarten und Bier trinken (Ja, man munkelt, dass selbst ich im Trainingslager das eine oder andere Mal ein Bier in der Hand hatte – Alles böse Unterstellungen! Und wenn, dann hab ich das nur mal kurz für jemanden gehalten 😉 ).
Das Wetter präsentierte sich an diesem Nachmittag von seiner schöneren Seite. Ganz optimal war die Stimmung jedoch trotzdem nicht, was aber daran lag, dass Hansa mit der Anlage ein bisschen ins Klo gegriffen hat. Sobald jemand Hotelfremdes einen Schritt zu weit nach links oder rechts gemacht hat, stand sofort der bewaffnete Sicherheits-Johnny auf der Matte. Zum Testspiel auf der Hotelanlage sollten dann auch noch die Ausweise an der Einfahrt abgegeben werden, was ein Großteil der Fans zu Recht nicht hinnahm und deshalb das Spiel außerhalb des Geländes verfolgte.
Aufgrund des doch recht guten Wetters bewältigte man den Rückweg mehr oder weniger geschlossen zu Fuß. Während sich einige stundenlang beim Kauf von Suff-Nachschub aufhielten, marschierte eine dreiköpfige Putzkolonne vorneweg und beseitigte den Großteil der Spuren, die unsere Vorgänger aus dem roten Teil Sachsen-Anhalts hinterlassen hatten.
Der Abend war dann für viele wieder das Highlight des Tages, nicht zuletzt weil die Gruppe nochmal um mehr als zehn Leute wuchs, darunter zwei, die sich bereits am Mittwochabend mit dem Zug auf den Weg gemacht hatten. Verrückt. Im Laufe des Abends wurde dann immer deutlicher, dass man nun auch noch die Anhänger des nächsten sächsischen Vereins an der Backe hatte. Im Gegensatz zu den selbsternannten „Geilen Jungs aus der Saalestadt“ waren die zunächst eher weniger angriffslustig und beschränkten sich darauf, ihren Followern in irgendeiner selbst für mich schwer zu identifizierenden Sprache mitzuteilen, dass sie im Hotel alle unter den Tisch gesoffen hätten. Gut… wenn man halt sonst nix zu feiern hat. Dass sich der eine oder andere Verantwortliche aus deren Verein bei deren Mannschaftsabend intensiver und länger mit Hansafans unterhalten hat, als mit den eigenen Leuten, dürfte für sich sprechen. Aber das reicht an der Stelle auch wieder.
Der nächste Tag ist dann relativ schnell erzählt. Während in einem anderen Hotel die ersten Verluste wegen Gotteslästerung zu beklagen waren, wurde es bei uns ruhiger, auch wenn es auch hier nicht ganz ohne Zwischenfälle ablief. Das Management des Hotels erkannte jedoch, dass es clever ist, den Spielkindern ein paar Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, um zumindest in der Lobby ein bisschen Ruhe rein zu bekommen. Dieser Plan erwies sich als ziemlich gut, sodass die eine oder andere neue Beschäftigung gefunden wurde. Während vorn im Raum Dart und Fußball gezockt wurde, mussten in einem atemberaubenden Match auf erstaunlich hohem Niveau sowohl der Physio als auch der Co-Trainer eines ungarischen Erstligisten gegen die Hansa-Tischtennismacht die Segel streichen. Insider würden sagen: Seht ihr Halle, so wird das gemacht!
Am selben Tag entschied man sich zunächst in einer kleinen Gruppe, das türkische Pokalspiel Antalyaspor gegen Göztepe, das am Tag darauf stattfinden sollte, zu besuchen. Da irgendwann alle im Hotel anwesenden Fans denselben Plan hatten, wurde mit Hilfe der spontan gewählten Reiseleitung ein Bus für den nächsten Tag klar gemacht. Wenn nur der folgende Tag genauso glatt gelaufen wäre… aber dazu später mehr.
Am nächsten Morgen war dann wieder mal allerfeinstes Wetter in Belek und so hatte so ziemlich jeder, der heute zahlreich anwesenden Fans schon vor Beginn des Trainings die erste Dusche des Tages schon hinter sich. Als dann auch noch offiziell verkündet wurde, dass nach dem Training das große Bild mit Mannschaft und Fans gemacht werden sollte, kannte der Wettergott aber endgültig kein Halten mehr und es schüttete, was vom Himmel runter wollte. Abartig! Das führte dann auch dazu, dass das Gruppenbild wahrscheinlich so schnell im Kasten war, wie selten zuvor. Und während einige aufgrund der Darstellung auf einem zweiten Bild schon wieder Schnappatmung hatten, war der Großteil der auswärtig untergebrachten Fans schon wieder auf dem Weg zurück ins Hotel, wo am Abend dann die lustige Busfahrt nach Antalya starten sollte.
Der eigens für die „Almans“ zur Verfügung gestellte Bus setzte uns dann trotz etlicher Absperrungen und Sicherheitsbedenken der örtlichen Polizei direkt vor dem Stadion ab. Witzbold des Tages war dann der Busfahrer, der zunächst drauf bestand, 20 Minuten vor Abpfiff des Spiels wieder losfahren zu wollen. Dass das nicht in die Tüte kam war selbstverständlich und das machte ihm unser Reiseleiter auch mit Erfolg deutlich.
Vor der Abfahrt entstand aber zunächst ein weiteres Bild, diesmal mit den Fans aus dem „Scheiss Hotel“ (Insider), auf dem erstmals so richtig zu sehen war, welch stattliche Anzahl an Fans sich dorthin verirrt hatte.
Apropos verirrt: Durch ein Labyrinth an Ausweisen, Handyfotos, Passoligs und nicht funktionierenden Tickets fanden dann auch so ziemlich alle Beteiligten spätestens zur zweiten Halbzeit ins Stadion. In der zugegeben doch recht gar nicht mal so hässlichen Schüssel wurde dann ziemlich schnell ein leichtes Ungleichgewicht zwischen dem Aufwand für Versorgung/Sanitäreinrichtungen und dem für Sicherheitsgeschichten bekannt. Am Einlass konnte man dank modernster Technik noch sein vorher geschossenes Verbrecherfoto auf Bildschirmen bewundern, um dann mittels Drehtür durch einen meterhoch vergitterten Eingang ins Stadion zu gelangen. Bei all der Technik war für die sanitären Einrichtungen wahrscheinlich kein Geld mehr und so beschränkten sich diese bei den Frauen bzw. bzw. den großen Geschäften der Herren auf ein simples Loch im Boden. Kurz gesagt: Läuft!
Auch das sonst so lukrative Catering war auf einen Stand reduziert, an dem vornehmlich Chips verkauft wurden (man hörte von Touris, die sich umgerechnet 6 Euro für eine Tüte abknöpfen ließen).
Das wie oben schon gesagt recht schicke Stadion war leider total unterbesetzt. Trotzdem hingen an allen Ecken und Enden Fahnen irgendwelcher Gruppen, von denen man nur erahnen konnte, wo sie sich tatsächlich aufhalten würden, einsam in der Gegend rum. Letztendlich gab es wohl auf Heimseite drei Supportbereiche, wobei der, der uns am nächsten lag, von einem geschätzt 60-Jährigen mit lang gewachsener grauer Mähne angeführt wurde. Die Gästefans wurden im oberen Rang hinter Plexiglas versteckt und konnten sich letztendlich über den späten Ausgleich zum 3:3 freuen. Nicht ganz so erfreulich war das Ergebnis aus Sicht unserer Abteilung „Sportwetten“, die aufgrund der Einschätzungen einiger Experten einfach mal auf einen Sieg von Antalya setzten. Nach dem späten Ausgleich war da aber nichts mehr zu holen und so hatten sie zumindest die von Schadenfreude geprägten Lacher der umstehenden Hansafans auf ihrer Seite.
So richtig schöööön wurde es dann allerdings auf der Rückfahrt, wobei wir endlich beim anfangs angesprochenen Auftritt unseres gefährlichsten, beinah schon daheimgebliebenen Gruppenmitglieds angekommen wären. Auf der Fahrt zurück zum Hotel stellte dieser fest, dass die Brücken unterwegs durch eine äußerst kunstvolle Beleuchtung wunderbar in Szene gesetzt wurden. Während wahrscheinlich jeder zweite im Bus dachte „Hey, sieht echt schick aus“, das aber für sich behielt, musste er mit einem etwas lauten „Guck mal, wie schön die Brücken beleuchtet sind“ seinen Sitznachbarn und mit ihm den gesamten vorderen Teil des Busses darauf aufmerksam machen. Gefühlt jede Straßenlaterne wurde nun genutzt, um ihn kollektiv auf die schöne Beleuchtung aufmerksam zu machen. Auch heute noch verirrt sich das eine oder andere Bild mit Hinweis auf Beleuchtung in die Gruppe. Man munkelt, dass er seit diesem Tag gern auch „Meister Lampe“ genannt wird.
Nachdem wir dann etwa fünf Minuten vor Toresschluss nochmal kollektiv das Buffet im Hotel gestürmt hatten und alle satt und zufrieden in verschiedenen Ecken des Hotels saßen, sollte für die meisten ein weiterer Tag im Trainingslager vorbei sein und vor allem in Ruhe ausklingen. Nur einer hielt irgendwie nicht so viel von der ganzen Ruhe und hatte anscheinend noch ein ganz besonderes Date mit einem unserer sächsischen „Freunde“.
Am nächsten Morgen war wieder „Alltag“ angesagt und so machte sich eine vergleichsweise kleine Gruppe vom Hotel auf den Weg zum Frühtraining. Inzwischen hatten sich die Abläufe vor Ort auch ein bisschen eingespielt. Und als wäre das nicht schon schön genug, schaffte es ab diesem Tag auch die Fraktion „Zu gut für die dritte Liga“, sich mal zu einem „Guten Morgen“ gegenüber den Fans hinreißen zu lassen. Ein paar Leute sicherten sich schon mal eine der runden Kugeln, wahrscheinlich um schon mal das nötige Ballgefühl für das am Nachmittag anstehende Elfmeterschießen gegen den Torwarttrainer zu tanken. Bei allem Gemecker um das Auftreten einiger Spieler etc. sei an dieser Stelle auch mal erwähnt, dass vor allem dieser mit einem lockeren, aber respektvollen Auftreten gegenüber den mitgereisten Fans Punkte sammeln konnte. Es gibt dann doch einen feinen Unterschied zwischen dem „Wahnsinn, dass so viele Fans ins Trainingslager mitgereist sind“ in Interviews und dem letztendlichen Auftreten gegenüber diesen Leuten vor Ort. Soviel nur mal zwischendurch, denn die Woche war alles in allem einfach zu schön um sich über Leute aufzuregen, über die in einem Jahr hier eh keiner mehr redet.
Am Abend merkte man einigen dann an, dass die letzten Tage und Nächte ordentlich an den Kräften gezehrt hatten. Nachdem dann bei sämtlichen Events die restlichen Gäste abgezogen wurden und einige in der eigens für die Hansafans aufgemachten „Disko“ noch bis kurz nach Mitternacht abzappelten, um sich dann dem Genuss alkoholischer Getränke zu widmen, stieg die Zahl der Leute, die beizeiten ins Bett wanderten, Tag für Tag an. Allen voran unser Meister Lampe, der nach Aussage seines Zimmerkollegen nun auch im Hotelzimmer eine Vorliebe für sämtliche Beleuchtungsarten gefunden hatte.
Der vorletzte Tag stand dann eigentlich ganz im Sinne des Testspiels. Nach dem morgendlichen Training stand für zwei von uns noch ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden auf dem Plan. Dieser ließ es sich nicht nehmen, dafür sogar in unserem Hotel vorbeizukommen. Auch das und die Tatsache, dass er sich wirklich die Zeit nahm (und diese fast auch aus den Augen verlor) verdient an der Stelle einfach mal eine gewisse Anerkennung. Nach der Auswertung verschiedener Entscheidungen der turbulenten Winterpause, einiger Aktionen im Trainingslager und dem Auftreten einiger Spieler wurde Herr Marien noch darüber aufgeklärt, dass ein aus der Euphorie eines 4:1 Sieges heraus gesungenes „Nie mehr dritte Liga“ auch einfach mal ironisch gemeint sein kann und nicht zwingend als Aufforderung an die Spieler dient, jetzt völlig abzuheben. Ein gutes Beispiel dafür, dass man einige Missverständnisse aus der Welt räumen kann, indem man sich einfach mal zusammensetzt und miteinander redet. Ein Dank an dieser Stelle an den Vertreter des Mitgliederbeirats, der dieses Treffen ermöglicht hat. Das Gespräch wäre wahrscheinlich noch eine ganze Weile weitergegangen, hätte nicht am Nachmittag noch das letzte Testspiel angestanden.
Dabei konnte zum Glück ein Kick gegen den Ligakonkurrenten VfR Aalen abgewendet werden. Ich weiß gar nicht mehr, wer oder was das war, gegen den wir letztendlich gespielt haben, aber letztendlich sind es ja eh einfach „die anderen“.
Mit zwei Bussen, dafür einer eigens für die Fanschar aus dem Kaya Belek kam die Horde im Sportpark an und bevölkerte gleich mal die Tribüne. Mittlerweile wusste man das Auftreten der örtlichen Policia auch einzuordnen und reagierte auf deren Anwesenheit wesentlich entspannter, als noch zu Beginn der Woche. Zu Beginn des Spiels entzündete sich aufgrund der ungewohnt hohen Temperaturen versehentlich die eine oder andere Fackel im Block. Anstatt – wie bei uns üblich – in Panik zu verfallen und lautstark „Bitte unterlasst das Abbrennen von Pyrotechnik! Ihr schadet damit nur euch und eurem Verein“ durchzusagen, schickte der Betreiber des Sportparks einen Typen mit einem Besen vorbei. Der lief dann unbeirrt während des laufenden Spiels zwischen den Zuschauern durch und kehrte in aller Ruhe die Überbleibsel der Pyroshow zusammen. Warum auch nicht? Ich bin der Meinung, dass sich das durchsetzen sollte. Zumindest kann ja keiner leugnen, dass die Vorstellung, Struppi mit nem Besen durch den Gästeblock fegen zu sehen, mehr Aufmerksamkeit erhalten würde, als diese aufgeregten, fast schon hysterischen Ansagen jedes Mal.
Das Spiel selbst wurde recht deutlich gewonnen, wobei sich insbesondere unsere Nummer 6, Mister „Das sind genau meine Spiele“ als Torschütze auszeichnete und mit einem „Du hast die Haare schön“ gefeiert wurde. Nachdem dann der Klassiker „Wir sind nur zum Saufen hier“ in „Ihr seid nur zum Laufen hier“ umgedichtet wurde und ein zweites gemeinsames Bild (diesmal mit freundlichen Gesichtern und Sonne) im Kasten war, ließ man den Tag wieder recht entspannt ausklingen und fragte sich, wie man wohl den letzten Tag so ganz ohne Training oder Testspiel verbringen sollte.
Die Antwort war dann schnell gefunden. Während einige anscheinend keinen Schlaf benötigten und schon am Morgen auf dem Weg zur örtlichen Einkaufsmeile waren, schliefen andere einfach bis zum Mittagessen durch. Ich selbst hatte mich für die zweite Variante entschieden und während ich noch reichlich verpeilt am Mittagstisch saß, erstatteten die vor Ort anwesenden Späher Bericht. Direkt auf dem Hotelgelände fand in diesen Tagen ein doch recht hochklassiges Nachwuchsturnier im Tennis statt. Bei strahlendem Sonnenschein und endlich auch mal Kurze-Hosen-Wetter wurde das eine oder andere Match verfolgt. Dass wir dabei ausschließlich beim Damendoppel am Start waren, lag natürlich einzig und allein daran, dass das „Spiel“ viel sehenswerter war, als das der Männer. Schnell kristallisierte sich dann auch ein Pärchen raus, das die Gruppe besonders in Herz geschlossen hatte und so ließ man sich hinreißen, dieses durch den Tag zu begleiten. Während die beiden das entspannt und mit reichlich Humor nahmen, war das den letzten Gegnern nicht ganz so geheuer. Nachdem sich in einer Tour beim Schiedsrichter beschwert wurde, rief der über die Wettkampfleitung einen der deutsch sprechenden Sicherheitsmenschen des Hotels. Dieser ließ ausrichten, dass man die Klappe halten oder des Gelände verlassen solle. Die ganze Prozedur zog sich letztendlich fast eine halbe Stunde und zum Wohle unserer Schützlinge entschieden wir uns nun, uns wie braves Tennispublikum zu verhalten. Zwischendurch konnte sich aber trotz größter Bemühungen keiner mehr zusammenreißen, was uns auch keiner wirklich verübeln konnte. Die größte Stänkerfrida auf dem Platz bekam von ihrer Mitspielerin den Ball mit voller Wucht gegen den Hinterkopf und sackte wie ein Schluck Wasser zusammen. Klingt erstmal nicht so lustig, aber da sie auch eher lachte, als irgendwelche Schmerzen zu äußern, war unsere Reaktion durchaus angemessen. Durch die von uns verursachte Verzögerung und die nun langsam einsetzende Dunkelheit musste das Spiel leider kurz vor dem Ende bei Rückstand für unser favorisiertes Doppel abgebrochen werden. Oder wie man in Fachkreisen sagt: Sieg oder Spielabbruch!
Der Abend stand dann ganz im Zeichen des Packtages und bereits früh am nächsten Morgen ging es wieder zurück in Richtung Heimat. Dies sollte gleichzeitig auch einer der letzten Flüge von Germania gewesen sein. Böse Zungen behaupten, dass der Konsum von selbst mitgebrachtem Alkohol der Hansafans Schuld am Untergang der Fluglinie ist. Immerhin hatte eine der Stewardessen, die scheinbar auch den gleichen Friseur wie Mirnes Pepic hat, Mitleid mit den besonders hungrigen Leuten im Flieger und spendierte auf Kosten des Hauses eine zweite Runde Sandwiches. Ich sags euch: Das ist der wahre Grund für die Germania-Insolvenz!
Mit ein wenig Abstand kann ich behaupten, dass die Reise ins Trainingslager eine meiner besseren Ideen der letzten Jahre war. Erfahrene Trainingslagerfahrer meinten, dass man in den letzten Jahren näher an der Mannschaft war, auch mal entspannt miteinander quatschen konnte. Dieses Jahr machte es oft den Eindruck, dass ein Großteil der Spieler da gar keine Lust drauf hatte. Wie dem auch sei, im nächsten Jahr sind eh wieder andere Leute am Start, also was solls.
Da ich hier schon mehr als genug geschrieben habe, beende ich das Ganze mit der Erkenntnis aus einer Woche Trainingslager:
Nie mehr Kaya Belek!
