Von wegen Urlaub – Trainingslager 2023

Man ist als Hansafan ja so einiges an Enttäuschungen gewöhnt. An den Moment der Enttäuschung, wenn es heißt, dass das Winter-Trainingslager wieder in der Türkei stattfinden wird, wird man sich aber trotz aller Regelmäßigkeit, mit der das mittlerweile Jahr für Jahr passiert, nicht gewöhnen. 

Obwohl recht früh das Reiseziel und sogar ein Hotel feststanden, zögerte ich recht lange, was die Buchung anging. Das lag zum Einen an der Tatsache, dass die Erfahrungen vor Ort nicht die Besten waren und zum Anderen am Zeitraum, den unser Verein diesmal gewählt hatte. Trotz aller guten Vorsätze, die allesamt mit den Worten “Nie wieder…” anfingen, entschied ich mich letztendlich doch, ein paar Tage mitzunehmen.

An einem Samstag hieß es dann entgegen der üblichen Gewohnheiten nicht “Abfahrt!”, sondern “Abflug”. Der Flug gestaltete sich recht entspannt und auch die “Der Pilot möchte das nicht”-Belehrungen des letzten Jahres waren quasi nicht vorhanden, was dem Bierkonsum meiner beiden Mitreisenden sehr entgegenkam. Spätestens jetzt nutzte einer der beiden wirklich JEDE sich ihm bietende Möglichkeit, den von ihm selbst zum Trainingslager-Song auserkorenen Hit “1001 Arabian Nights” zum Besten zu geben. Der Song stammt aus dem Jahr 2005… da bin ich noch zu diesem Lied durch mein Kinderzimmer getanzt, weil das mal auf irgendeine Toggo-Hits CD drauf war, die es bei den Tschechen (natürlich original!) für nen schmalen Taler zu kaufen gab. Aber genug der Nostalgie. Die Euphorie dieses Mitfahrers bzw. -Fliegers sollte sich aber recht schnell in eine große Enttäuschung verwandeln. Mit den Worten “Da fliegst du extra ins Morgenland und dann ist da Abend” brachte er diese auch recht deutlich zum Ausdruck. 

Am Flughafen Antalya angekommen, zeigte sich mal wieder, dass hier nicht alles schlecht ist. Einreise, Gepäckabholung, Transport zum Hotel: Alles lief reibungslos und vor allem so schnell, dass wir eine realistische Chance hatten, das Abendessen im Hotel noch mitzunehmen. Der Plan war deswegen, nur kurz die Sachen wegzubringen und direkt in Richtung Buffet durchzustarten. Dabei hatten wir die Rechnung aber ohne die Zimmerwahl der Jungs gemacht, die ne Bude irgendwo draußen in Spandau gebucht hatten. Reichlich knapp, aber immer noch rechtzeitig erreichten wir dann unser Ziel und konnten uns nochmal ordentlich satt essen. 

Was bei all dem Stress zu kurz kam: Beim flüchtigen Blick durch das Zimmer, das, wie in der Türkei üblich, recht neu und sehr groß wirkte, erstmal ein kurzer Schock. Wo ist der verdammte Fernseher? Nicht, dass ich ihn groß nutzen wollte, aber als Einschlafbegleitung wäre er doch schon ne nette Sache. Dass dann trotz fehlendem Fernseher eine Fernbedienung vorhanden war, machte mich aufgrund der Dreistigkeit, die ich dem Hotel direkt unterstellte, fast ein bisschen wütend. Kurz nachdem ich wild auf der Fernbedienung rumgedrückt hatte, kam die erste Überraschung der Woche zur Geltung. Der Fernseher befand sich nämlich im Spiegel. Absolut faszinierend, auch wenn mir zu Ohren gekommen ist, dass die eingebaute Zoom-Funktion nicht in allen Zimmern funktioniert hat und auch der Schrank mit der DVD-Sammlung nur einigen wenigen von uns vorbehalten war #einzombiehingamglockenseil

Der erste Abend war dann auch direkt recht lang. Während wir dann entspannt beisammen saßen, offenbarte uns einer aus unserer Gruppe, dass er aktuell ein Buch schreibt. Auch wenn er inhaltlich noch nicht weit ist, hat er zumindest schon einmal einen Titel, der mit “Hunde, Katzen, Bullen, Schweine” zwar recht simpel, aber doch aussagekräftig ist. 

Während er so über seine schriftstellerischen Pläne erzählte, wurde er kurz von Jubelschreien aus der hoteleigenen Disko unterbrochen. Da fühlte man sich in dem Gedanken “Ohne Hansa wär hier gar nix los” direkt bestätigt, wobei man den Eindruck haben konnte, dass es den Verantwortlichen des Hotels womöglich auch lieber gewesen wäre, wenn etwas weniger los gewesen wäre. Aber wie so oft, gilt natürlich auch hier, dass das Leben eben kein Wunschkonzert ist. 

Abgesehen von der Havarie in der vierten Etage, von der einige Hansafans direkt und indirekt betroffen waren, verlief unser erster Abend dann doch recht ruhig. Zumindest sollte man das meinen. 

Am nächsten Morgen stand für uns das erste Training an. Das bedeutete, dass es kurz nach acht zum Frühstück ging, um rechtzeitig in Richtung Trainingsplatz aufbrechen zu können. Soviel zum Thema Urlaub. Insbesondere der Auftritt des zukünftigen Tierbuch-Autors ließ an dieser Stelle kurz den Verdacht aufkommen, dass der Abend doch nicht so ruhig lief, wie ich mir das vorgestellt hatte. 

Aufgrund der Zeit und der Entfernung wurde der Hinweg meist mit dem Taxi zurückgelegt, was für uns Neuankömmlinge direkt zum Erlebnis wurde. Da wurde mal eben völlig selbstverständlich mit 80 durch die 30er Zone geballert, was durch die schon länger anwesenden nur mit “Gestern ist der hier mit 110 lang gefahren” kommentiert wurde. Das Training selbst war dann recht unspektakulär und aufgrund des guten Wetters entschieden wir uns, zu Fuß in Richtung Hotel zurückzulaufen. Dabei konnten wir zum ersten Mal die türkischen Qualitäts-Wanderwege in Augenschein nehmen. Apropos gutes Wetter: Gefühlt zum ersten Mal in meiner Trainingslager-Geschichte war das wirklich so gut, dass wir uns einen Nachmittag am Strand gönnen konnten. Wir staunten allerdings nicht schlecht, als direkt eine Abordnung der örtlichen Polis ankam, um die sich sonnende Horde in Augenschein zu nehmen. Als wäre das nicht genug, wurden dann noch mit Hilfe einer Drohne scheinbar Bilder von allen Anwesenden gemacht. Das ging ja schon wieder gut los. 

Schon am für uns erst zweiten Tag merkte ich dann, dass ich auch keine 25 mehr bin und verdrückte mich aufgrund des doch recht ausgeprägten Schlafmangels zeitig in Richtung Zimmer, um fit für den nächsten Tag zu sein.

Der begann dann eigentlich so, wie der vorherige, nur dass wir am Treffpunkt für die Abfahrt zum Trainingsplatz lange nur zu zweit standen, bis dann auf den letzten Drücker doch noch der eine oder andere um die Ecke kam. Auch auf dem Trainingsplatz machte sich die Belastung der letzten Tage bemerkbar. Beim “Einlaufen” für das Spiel am Nachmittag hing die Gruppe um John Verhoek konsequent eine komplette Übung hinterher. Das wurde vom Athletik-Trainer dann auch irgendwann festgestellt, der den Umstand mit den Worten “Die Alten machen mal ein bisschen Tempo dort drüben” korrigieren wollte. Der Protest gegen diese Aussage ließ natürlich nicht lange auf sich warten. 

Für das am Nachmittag angesetzte Testspiel fuhr dann pünktlich und wie bestellt eine Taxi-Kolonne vor, mit der es dann auf ein nicht ganz ungewohntes Gelände ging. Bei dem Spiel, das übrigens 6:0 gewonnen wurde, wurde zudem auch erstmals klar, wie viele Hansafans sich wirklich nach Belek verirrt hatten. Mit denen, die außerhalb der kleinen Tribüne standen, konnte man sicherlich von gut 250 Fans sprechen. Teil der Wahrheit ist aber auch die Tatsache, dass es leider mit jedem Jahr in der Türkei immer weniger werden. Optisch wurde das Spiel von der Tribüne aus in der ersten Halbzeit mit ordentlich Rauch, in der zweiten Halbzeit mit ein bisschen Konfetti eingeläutet. Dass insbesondere Zweiteres noch zum Problem werden sollte, hatte zu dem Zeitpunkt wohl keiner so richtig auf dem Schirm. 

Am Abend nach dem Spiel kam dann kurz Unruhe auf, weil sich Kräfte der Polizei in unser Hotel verlaufen hatten und dort ein etwas längeres Gespräch mit einem Hotelverantwortlichen führten, der uns sowieso schon nicht so ganz positiv gegenüberstand. Das Ergebnis war dann zeitweises Alkoholverbot für jeden, der irgendwie nach Fußballfan aussah. Da kam es einigen ganz gelegen, dass ich zur Abwechslung mal kein Kinderband bekommen habe und weiterhin das eine oder andere Getränk ergattern konnte. Es folgten die üblichen Gespräche, die die “Verantwortlichen” vor Ort über sich ergehen lassen mussten. Dabei stellte sich dann heraus, dass das Hauptproblem wohl nicht die Pyrotechnik, sondern das Konfetti war. Das wurde nämlich durch den Wind so schön in der Luft und in der Gegend verteilt, dass der heilige Golfplatz, der direkt nebenan lag, noch ein paar Stunden danach davon befreit werden musste. Scheinbar ist das der Punkt, an dem in der Türkei der Spaß dann endgültig aufhört. Da die örtliche Polis weiterhin Präsenz im Hotel zeigte, gestaltete sich der Abend recht ruhig. Wahrscheinlich konnte der Hotelmanager und seine Kumpels dann auch noch Punkte sammeln, indem sie die schon vorher fleißig gedrehten Handyvideos von diversen Aktionen direkt weiterleiteten. Wenn man an der ganzen Situation jetzt um jeden Preis was Positives sehen möchte, dann ist es wahrscheinlich die Tatsache, dass es für die meisten schon der fünfte Tag vor Ort war. Ich glaube, so lang haben wir es lang nicht mehr ausgehalten, bis es wirklich knifflig wurde.

Am nächsten Tag zeigte sich dann, wie bockig die Sicherheitskräfte vor Ort wirklich waren. So wurde dann mal eben ein Zuschauerausschluss für das am Abend geplante Spiel gegen Fürth ausgesprochen. In einer Vollversammlung der im Hotel anwesenden Fans fand sich aber eine breite Mehrheit dafür, das Spiel trotzdem zu besuchen. 

Aufgrund der doch etwas brenzligen Gesamtsituation war klar, dass vor Ort ein geschlossenes Auftreten absolute Priorität haben sollte. Als die Taxi-Kolonne dann am Spielort eintraf, konnten die anwesenden Sicherheitskräfte recht schnell von der Zielstrebigkeit des (mit Ausnahme von meiner Wenigkeit) doch recht stabilen Haufens überzeugt werden. Irgendwann haben dann auch alle anderen Beteiligten eingesehen, dass es schlicht keinen Sinn machen sollte, uns hier irgendwie zu vertreiben und nach ein paar kurzen Worten vom Vorstandsboss zum Thema “Benehmen” konnte das Spiel dann entgegen der ursprünglichen Planung in unserer Anwesenheit stattfinden. Im Rahmen des Vortrags wurde dann eine ganze Weile aufgezählt, was alles nicht erlaubt war. Die Liste war so unfassbar lang, dass Robert mit einer Zusammenfassung des Erlaubten wohl deutlich schneller fertig gewesen wäre. Auf die berechtigte Frage “Aber singen ist erlaubt?” antwortete er mit leicht verständnislosem Blick und der Aussage “Na hör mal! Ich bitte darum!”. Am Ende haben wir das ganze Theater dann auf uns genommen, um sage und schreibe 45 Minuten zu sehen. Aufgrund des andauernden Regens, der insbesondere an diesem Abend nochmal ordentlich zugelegt hatte, war der Platz so im Arsch, dass eine Fortsetzung dort als eher wenig zielführend betrachtet wurde. Dementsprechend gestaltete sich auch das Spiel in der Zeit. Lediglich Markus Kolke konnte die Umstände nutzen und einen völlig übermotiviert agierenden Fürther mal kurz an die nicht vorhandene Würstchenbude zu schicken, was von den anwesenden Fans mit “Kolke in den Sturm”-Gesängen honoriert wurde. 

Die folgenden Tage waren geprägt von Dauerregen und ständigen Auftritten der Polizei im Hotel. Da aufgrund des Wetters einige Trainingseinheiten mal wieder buchstäblich ins Wasser fielen, verbrachten wir den Großteil der Zeit im Hotel bzw. an der Bar, wo es je nach Lust und Laune des Hotelchefs mal für die einen, mal für die anderen und manchmal auch einfach für niemanden alkoholische Getränke gab. Ich hatte damit eher weniger Probleme, denn Wasser und Zitronenlimo gabs immer. Für den einen oder anderen war es angesichts dezenter Verfärbungen im Gesicht vielleicht auch nicht ganz so schlecht, mal eine Pause vom sogenannten Lemon Drop einzulegen. 

Für mich und meine Kurzzeit-Trainingslager-Gang sollte es dann auch recht schnell wieder in Richtung Heimat gehen. Während zwei von drei Beteiligten recht frühzeitig um die Vollzähligkeit des Gepäcks und pünktliche Abfahrtbereitschaft bemüht waren, nahm einer das da eher nicht so genau. Dass er bis etwa zwei Stunden vor Abholung noch an der Bar gesessen und dort auch nochmal intensivst das All-Inclusive Angebot in Anspruch genommen hatte, drückte sich dann im weiteren Verlauf der Reise in einem doch recht witzigen Gehfehler aus. Dass er dann in seinem Wahn einen weiteren Reisenden, der ebenfalls etwas unsicher auf den Beinen war, als Simulanten betitelte (was hier aber dem Alter und nicht dem Getränkeangebot des Hotels geschuldet war). Aufgrund von weit auseinanderliegenden Plätzen und des doch etwas zu kurz gekommenen Schlafs gestaltete sich der Rückflug dann recht unspektakulär, was angesichts der Ereignisse in den letzten Tagen dann auch mal ganz schön war. 

Entgegen aller Erwartungen funktionierte auch die Kofferausgabe am BER ohne jegliche Probleme, sodass ich knapp 40 Minuten nach der Landung schon daheim auf meiner Couch Platz nehmen konnte. 

Und nachdem das hier alles schon wieder ganz schön viel geworden ist, möchte ich das Fazit auch kurz halten.

Nie wieder dieses Hotel!

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